Aachener Zeitung vom 20.12.2016
Für Flüchtlinge ist es in mehrfacher Hinsicht nicht leicht, sich auf Immobilienportalen zurechtzufinden. Ehrenamtler sollen helfen.
Von Verena Müller
Hinter Claudia Kopps Schreibtisch hängt ein Zettel: Mit Rot durchgestrichen sind die Worte „sollte, würde, könnte“, darunter steht im selben Rot „machen“. Das Motto trifft auf die Verwaltungskraft im Stadtteilbüro in der Alsdorfer Luisenpassage recht gut zu – und man merkt, dass sie diese Botschaft auch gerne an andere weitergeben würde, die noch unentschlossen sind – unentschlossen, sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren.
Die Betonung liegt auf „weitergeben würde“. Denn ebenso engagiert wie die 49-Jährige ist, genauso fern liegt es ihr offenbar, sich über fehlendes Engagement anderer zu beklagen. Worte wie „am Limit“ oder „händerringend“ nimmt sie nicht in den Mund, viel lieber erzählt sie davon, welch eine Bereicherung die Arbeit mit den Flüchtlingen aus ihrer Sicht ist. Knapp 20 Flüchtlingspaten sind derzeit an den Sozialdienst katholische Frauen (Skf) angedockt – darunter beispielsweise auch Renate Kostorz, die ebenfalls davon berichtet, wie viel Spaß es macht, sich in dem Bereich einzubringen, und wie viel man zurückbekommt.
Aber wenn man ehrlich ist, treffen Worte wie „händerringend“ ins Schwarze. „Was Flüchtlinge derzeit am häufigsten brauchen, ist eine bezahlbare, vernünftige Wohnung“, sagt Claudia Kopp. Und jemanden, der sie bei der Suche unterstützt.
Claudia Kopp sitzt am Empfang des Stadtteilbüros, sie weiß also, wovon sie spricht. Privat ist sie seit Anfang 2015 als Flüchtlingspatin aktiv, betreut mehrere Familien. Früher oder später wurde bei allen die Wohnungssuche Thema. Also informierte sich Claudia Kopp: Ist der Suchende beim Sozialamt gemeldet oder beim Jobcenter? Wie sieht es mit der Mietbescheinigung und der Kaution aus? Welche Immobilienmakler kommen in Frage? Seitdem kennt sie sich aus, was sie aber noch lange nicht zur institutionalisierten Wohnungspatin macht, wie sie betont. Solche Ansprechpartner fehlen gänzlich, obwohl seit dem Sommer dafür geworben wird.
„Wenn man einmal alles zusammengetragen hat und die Abläufe kennt, ist das kein großer Zeitaufwand“, versichert Claudia Kopp. Das Zusammentragen muss nicht einmal mehr in Eigenregie erfolgen. Wie Lisa Trümper-Loogen, Ansprechpartnerin für Flüchtlingspaten beim SkF, erläutert, gibt es inzwischen in Kooperation mit der Verbraucherzentrale eine vorbereitende Maßnahme, die unter dem Namen „Mieterführerschein“ firmiert. Hier erhält man Grundlagen im Mietrecht und Kontakte.
In der Praxis besteht die Aufgabe eines Wohnungspaten nicht nur darin, bei der Wohnungssuche zu helfen und Kontakt zu Vermietern aufzunehmen, sondern, auch nach Abschluss des Mietverhältnisses als Vermittler tätig zu bleiben: Was steht in der Hausordnung? Wie war das mit der Mülltrennung und dem Treppenhausputzen? Solche allgemeine Regeln kann der Vermieter mit dem Wohnungspaten besprechen, damit dieser die Informationen an den Mieter weiterkommuniziert. Alles halb so wild und im Aufwand überschaubar, findet Claudia Kopp.
In der Liste der wohnungssuchenden Flüchtlinge beim SKF befindet sich übrigens auch ein Prominenter, wenn man so will: Mahmoud Abdullah, der Syrer, der das Sparbuch mit Bargeld fand und bei der Polizei abgab. Seine bislang erfolglose Wohnungssuche war sogar in unserer Zeitung zu lesen – ohne nennenswerte Effekte. Woran das liegt, darüber kann man nur mutmaßen. Der Markt für günstigen Wohnraum ist gefegt, das ist das eine. Vorbehalte und die Befürchtung, es könne in der Kommunikation viel schieflaufen, ist das andere. Aber genau an dieser Stelle würden die Wohnungspaten ja ansetzen.
Die Erfahrungen, die Claudia Kopp und Renate Kostorz in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit gesammelt haben, so sagen sie, sollen anderen Mut machen, sich einzubringen: Claudia Kopp erzählt von einem syrischen Arzt und dessen Frau, einer Lehrerin, die hier mit ihren Kindern schnell Fuß gefasst haben. Wohl schon im nächsten Jahr erhält er seine Approbation, seinen Führerschein hat er bereits bestanden. „Es ist alles so toll gelaufen“, erzählt Claudia Kopp und strahlt. „Dank Dir“, hätte der syrische Flüchtling einmal gesagt. „Nein“, habe sie da geantwortet, „geleistet hast Du das. Von der Flucht bis zu dem Punkt, an dem Du Dich jetzt befindest.“ Nur so könne Integration funktionieren, findet Claudia Kopp, die von einem herzlichen Verhältnis gegenseitiger Unterstützung spricht. Wie in einer Familie.
Solchen Erfahrungen kann sich Renate Kostorz anschließen. Sie betreut einen 17-Jährigen, der an der Gesamtschule aufgenommen wurde und sehr gute Fortschritte macht. Wenn man nicht wolle, dass junge Flüchtlinge radikalisiert werden, müsse man sich um sie kümmern, findet Kostorz. Wie um jeden anderen jungen Menschen in dem Alter auch. Um ihnen das Gefühl zu geben: Auch wenn du manchmal den Eindruck hast, alleine oder hier fremd zu sein, es kümmert sich jemand um dich. Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn der junge Flüchtling das Clearinghaus verlässt, wird auch er eine Wohnung brauchen. Dann wird sich seiner vielleicht ein Wohnungspate annehmen oder – und das ist naheliegender – Renate Kostarz selbst.
Informationen und Kontakt zur Koordinierungsstelle
Der Sozialdienst katholische Frauen (SkF) sucht Flüchtlingspaten. Behördengänge, Alltägliches wie die Suche nach einem geeigneten Sportverein oder einfach mal ein gemeinsamer Ausflug gehören zu den Punkten, die Flüchtlingen das Ankommen in Deutschland erleichtern sollen. Besonders dringend gesucht werden derzeit Wohnungspaten, die nicht nur bei der Wohnungssuche helfen sollen, sondern auch Vermittler zwischen Mieter und Vermieter sein sollen.
Für beide ehrenamtliche Tätigkeiten ist der SkF unter dem Dach von ABBBA e.V. in der Luisenpassage ansprechbar. Er unterstützt die Ehrenamtler mit Fortbildungen, außerdem findet regelmäßig ein offener Erfahrungsaustausch statt. Alles geschieht auf freiwilliger Basis, jederzeit kann das Engagement beendet werden. Kontakt: Lisa Trümper-Loogen, Otto-Wels-Str. 2b (Luisenpassage) in Alsdorf, ☏ 02404/ 5995915, E-Mail: familienpaten@skf-alsdorf.de.