Super Mittwoch vom 28.03.2018 VON TIM GRIESE
Ehrenamtler treten für ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind, in die Pedale und verwandeln die Fahrten in kleine Ausflüge

Monika Jentzen-Stellmach und Detlev Gottwald gehören zum Team der ehrenamtlichen Seniorenrikscha-Fahrer in Alsdorf. Foto: Tim Griese
Stolz zeigt Monika Jentzen-Stellmach ihren Führerschein. Es ist kein normaler „Lappen“, den die 55-Jährige in ihrem Portemonnaie mit sich führt. Er befähigt sie zur Steuerung einer Rikscha. Einer Seniorenrikscha, um genau zu sein. Ein solches Gefährt ist seit vergangenem Jahr auf Alsdorfs Straßen unterwegs. Hinten ein Elektrofahrrad, vorne eine Sitzbank: Der Anblick ist ungewohnt in der City, soll aber zu einer dauerhaften Geschichte werden.
Initiiert hat das Projekt das Freiwilligenzentrum des Caritasverbandes in Kooperation mit Abbba e.V. und der Stadt Alsdorf. Das Prinzip ist einfach: Ehrenamtler chauffieren ältere Menschen, damit diese, die häufig nicht mehr so gut zu Fuß sind, ihr gewohntes Umfeld verlassen und am sozialen Leben teilhaben können. Jetzt startet die neue Saison.
Theoretische und praktische Übungen
„Ich warte eigentlich nur auf gutes Wetter“, ist Monika Jentzen-Stellmach schon ganz aufgeregt, loszulegen und in die Pedale zu treten. Genauso wie die übrigen fünf Ehrenamtler, bis dato zum Team gehören. Die Seniorenrikscha ist einsatzbereit, nachdem sie dieser Tage noch einmal zur Inspektion war. Zuletzt gab es zudem noch einmal eine halbtägige Schulung mit theoretischen und praktischen Übungen für die Ehrenamtler.
Die Führerschein-Inhaber haben dort ihr Wissen und ihr Können aufgefrischt. Und das ist wichtig, denn mit einer Rikscha fährt es sich anders als mit einem herkömmlichen Rad – „alleine schon wegen des großen Lenkers. Da ist schon einiges an Kraft nötig“, sagt Monika Jentzen-Stellmach. Zudem erfordere das Zuschalten des Elektromotors eine hohe Koordinationsfähigkeit. „Wir haben ein echtes Hardcore-
Training hinter uns“, berichtet sie vom Führerscheinkurs. „Unter anderem haben wir in einem Parkhaus gelernt, an steilen Anstiegen loszufahren.“ Aufmerksam geworden auf das Angebot der Seniorenrikscha war Monika Jentzen-Stellmach bei der Caritas in Aachen, für die sie hauptberuflich arbeitet. „Das hat mich total angesprochen“, berichtet sie. Schließlich könne sie als Fahrerin damit viele Dinge miteinander verbinden, einerseits selbst etwas für sich und die Gesundheit tun und andererseits etwas Gutes für Menschen leisten, die nicht mehr so mobil seien. „Es ist doch toll, wenn sie auf diese Weise vor die Tür kommen.“
Gleichzeitig könne sie als Alsdorferin auch noch etwas lernen von den Fahrten mit den Senioren. „Ältere Menschen sind Schätze“, sagt Monika Jentzen-Stellmach. „Sie wissen so vieles über die Stadt und den Stadtkern. So kommen wir schnell ins Gespräch, und ich höre gerne aufmerksam zu.“ Vom kommunikativen Aspekt der Rikscha-Touren ist auch Detlev Gottwald begeistert. „Ich wohne schon seit 40 Jahren in Alsdorf und kenne viele Menschen, aber plötzlich wird man auch von wildfremden Menschen gegrüßt. Das ist schon spannend“, sagt er.
Vorstellung beim Integrationstag
Der 67-Jährige ist beim Integrationstag im vergangenen Jahr zum ersten Mal auf das Rikscha-Projekt aufmerksam geworden, als die Verantwortlichen ihre Idee dort vorstellten. „Das ist was für mich“, sei sein erster Gedanke gewesen, sagt er. „Alleine schon, weil ich selbst auch privat gerne im Sattel sitze.“ Nach Finnland und Schweden haben ihn schon Fahrradurlaube mit der Familie geführt, berichtet er.
Hinzu komme, dass seine Eltern im Alter auch nicht mehr so mobil gewesen seien. „Ich habe jetzt Zeit und kann für die Mobilität anderer Senioren sorgen“, beschreibt Gottwald den persönlichen Hintergrund. Schnell sagte er deshalb auch zu und war der erste Fahrer des Rikscha-Projekts, hatte im September seine erste Tour und hat seitdem bereits viermal mit der Rikscha Senioren durch Alsdorf gefahren.

Zur Auffrischung gab es jetzt noch einmal eine Schulung mit theoretischen und praktischen Übungen für die ehrenamtlichen Seniorenrikscha-Fahrer in Alsdorf. Foto: Caritas
Bei einer Fahrt habe eine ältere Dame viel erzählt, wo sie früher wohnte, wo das Elternhaus stand, und sie habe sich über den neuen Annapark gefreut, berichtet Detlev Gottwald. Sie sei seit fast acht Jahren nicht mehr dort gewesen, habe sie gesagt und sich mehrfach bedankt. Bestätigung genug, sich fürs richtige Ehrenamt entschieden zu haben, wie Gottwald sagt. „Das hat mich sehr berührt.“ Eine andere Dame habe die Fahrt mit der Rikscha zum 90. Geburtstag von ihren Kegelschwestern geschenkt bekommen. „Da sind wir dann durch Zopp geradelt und haben die anderen Keglerinnen besucht. Die haben gewunken und Fotos gemacht.“ Ein weiteres tolles Erlebnis, freut sich der Ehrenamtler.
Wer Interesse hat, sowohl als Ehrenamtler mitzustrampeln, aber auch, sich durch die Stadt kutschieren zu lassen, kann sich im Abbba-Quartiersbüro unter Tel. 02404/59959-0 oder im Freiwilligenzentrum unter Tel. 02404/59959-14 melden. Zudem suchen die Verantwortlichen noch einen zentral gelegenen Raum, wo die Rikscha abgestellt werden kann. Momentan geht’s abends für das Gefährt ins St.-Josefshaus nach Busch. „Unser Wunsch wäre es aber, einen Platz in Alsdorf-Mitte zu finden“, sagt Abbba-Quartiersmanagerin Ursula Siemes.
Was wünschen sich die Verantwortlichen noch von der Zukunft? „Vielleicht entstehen aus dem Projekt, das sich ja noch in der Pilotphase befindet, feste Fahr-Partnerschaften“, sagt Yvonne Hildebrandt vom Freiwilligenzentrum. Und mehr noch: „Wenn alles gut läuft, die Zahl der interessierten Senioren stimmt und es genügend Ehrenamtler gibt – zwei weitere Alsdorfer haben bereits Interesse bekundet, verrät Ursula Siemes – „dann hoffen wir darauf, eine zweite Rikscha anschaffen zu können“, sagt die Quartiersmanagerin.
Das Rikscha-Projekt wird gefördert mit Mitteln der Städtebauförderung aus dem Verfügungsfonds „Mitwirkung und Beteiligung“ durch das Bundesministerium für Verkehr, für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW und durch die Stadt Alsdorf.