Super Sonntag vom 25.02.2018
20 geflüchtete junge Männer wollten wieder gegen den Ball treten und fanden mit tatkräftiger Unterstützung ihren neuen Verein
VON TIM GRIESE
Halim Mala lebt seit rund drei Jahren in Deutschland. Er ist vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen. „Das Leben in meinem Land war schwer“, erzählt der 45-Jährige. Er hat sich gut eingelebt in Alsdorf und steht in engem Kontakt zum Verein Abbba (Alsdorfer Bildungs-, Beratungs- und Begleitungsangebote. Zu Beginn selbst Hilfe suchend, hilft er nun seinen Landsleuten und erklärt ihnen, „wie Deutschland geht“ – oder auch spielt.
Denn sein großes Hobby ist der Fußball. Wenn er über das Spiel mit dem Ball spricht, beschreibt er es als „seinen Traum“. „In Syrien war es nicht leicht, zu spielen. Als ich hier war, wollte ich unbedingt gleich wieder loslegen“, sagt Mala, der sich freut, über den Sport viele neue Freunde kennengelernt zu haben.
Mittlerweile ist Halim Mala Mitglied bei Blau-Weiß Alsdorf. Aber nicht nur er, 19 weitere geflüchtete junge Männer haben die Mitgliedszahlen des Clubs kürzlich ansteigen lassen. Gemeinsam bereichern sie jetzt die 1. Mannschaft und geben in der Kreisliga D eine mehr als manierliche Figur ab. Momentan belegt Blau-Weiß den vierten Platz.
Los ging die Geschichte 2016. Damals baten Halim Mala und sein Schwager Osama Mohammad im Abbba-Stadtteilbüro um Unterstützung: Sie und weitere geflüchtete Männer wollten eine Fußballmannschaft gründen. Halim Mala, der nun auch als Co-Trainer fungiert, gehörte ebenfalls dazu. Er hatte die Jungs zuvor auf einem Bolzplatz am Annapark Fußballspielen gesehen und sich gedacht: „Die sind richtig gut, die müssen in einem Verein spielen.“
Kontakt zum Verein aufgenommen
Claudia Kopp, für die Verwaltung und Empfang im Stadtteilbüro zuständig, stellte einen Kontakt zu Willi Beckers, dem sportlichen Leiter von Blau-Weiß Alsdorf, her. Der Verein liegt in Alsdorf-Mitte, dem Programmgebiet von Abbba. „Wir haben das mit dem Vorstand besprochen, und der hat einstimmig dafür entschieden“, sagt der stellvertretende Vorsitzende Ralf Hövelmann. Zunächst hatten die Neumitglieder überlegt, eine eigene Mannschaft zu stellen. Schließlich entschieden sie und der Verein aber, dass sie ganz normal ins Vereinsgefüge einsteigen. „Und es läuft super“, freut sich Mala.
Seit August, also mit Beginn der aktuellen Saison, rackern die neuen und alten Spieler von Blau-Weiß gemeinsam um den Ball. Zweimal in der Woche wird trainiert. Die Stimmung passt. „Alle sind sehr nett im Club. Wir verstehen uns gut“, freut sich Halim Mala. Und auch der Trainer der Mannschaft, Ismail Kara, ist mehr als zufrieden: „Wenn es in der Mannschaft nicht stimmt, dann sieht man das auch auf dem Platz“, sagt er. „Fußball ist unsere gemeinsame Sprache.“
Montags treffen sich die Spieler gemeinsam im Vereinsheim zu Kaffee und Kuchen. Sie unterhalten sich, lachen, haben Spaß, verbessern aber auch ihre Sprachkenntnisse und tauschen sich aus mit den Mitspielern. Dann ist auch Mohammed Abdulghafour dabei, der von seinen Mitspielern als „Messi von Blau-Weiß“ bezeichnet wird. Der 29-jährige Syrer ist seit zwei Jahren in Deutschland und hat schon als Kind eifrig Fußball gespielt, um sich stetig zu verbessern. Oder aber Osama Mohammad. Der 39-jährige Syrer spielt als Verteidiger und hat sich Ende des Jahres in einem Spiel am Arm verletzt, als er den Ball mit dem Kopf zur Ecke klären wollte und dabei stürzte. Jetzt freut er sich, endlich wieder angreifen zu können. Er mache mit, weil er auch Kontakte zu Deutschen knüpfen und sich noch besser integrieren wolle, sagt er.
Und da wäre noch Hussein Karwan. Der 32-jährige irakische Bayern-München-Fan fungiert manchmal sogar als Schiedsrichter, wenn kein angesetzter Unparteiischer am Spieltag aufschlägt. Fünf Jahre lang hat er in dieser Funktion in seinem Heimatland bereits Erfahrungen gesammelt. „Ich spreche mehrere Sprachen. Das ist von Vorteil auf dem Sportplatz“, berichtet er und sagt, dass er gerne auch in Deutschland ganz offiziell als Schiri aktiv sein würde.
Freude über die neuen Spieler
Willi Beckers freut sich über die neuen Spieler. Denn auch der Verein hat Vorteile durch die neuen Spieler, weil sie zum Beispiel das Überleben des Clubs sichern, der vor nicht einmal 15 Jahren noch in der Landesliga spielte. „Es ist nicht leicht, Spieler für die Kreisliga D zu gewinnen, in der der Verein derzeit spielt“, sagt Beckers und verweist auf andere Clubs in der Umgebung, die in höheren Klassen spielen.
Finanzielle Unterstützung bekam Blau-Weiß jetzt von der Sparkasse Aachen und einem Alsdorfer Bürger, um die neuen Spieler auszustatten. Schuhe, Schienbeinschoner, Trainingsanzüge mussten angeschafft werden. Die Sparkasse stellte Gelder aus dem sogenannten PS-Zweckertrag zur Verfügung. Der Alsdorfer Spender, der anonym bleiben möchte, hatte Abbba gesammeltes Geld von seiner Geburtstagsfeier zur Verfügung gestellt.
„Es wäre schön, wenn dieses Beispiel Schule macht“, wünscht sich Claudia Kopp. „Auch kleine Spenden helfen Vereinen bei der Integration neuer Mitglieder.“ Sie freut sich, dass Abbba den Sportlern weiterhelfen und sie vermitteln konnte. „Es ist sehr schön, zu sehen, welche Entwicklung stattgefunden hat durch die vielen Angebote von Abbba. Auch im Bereich Flüchtlingsarbeit sind wir gut aufgestellt und können jedem hilfesuchenden Bürger die passende Beratung zu kommen lassen. Und die Früchte unserer Arbeit beobachten wir täglich.
Das ist der schönste Lohn, zu sehen, dass die Unterstützung angenommen wird, Berührungsängste abgebaut werden und Integration ‚gelebt‘ wird und der Verein sich in Alsdorf etabliert hat.“
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